Die Krux mit der Selbstfürsorge | mit Druckvorlage

Für uns zu sorgen ist nichts, was uns in den Schoß fällt – vielmehr verstehen viele Selbstfürsorge als weiteren Bereich der Selbstoptimierung. Dabei sind Auszeiten im späten Kapitalismus eine eigene Form der Rebellion – und unfassbar wichtig, um gesund zu bleiben.

Selfcare als Produkt

Ja, nach dieser Überschrift haben vermutlich die wenigsten Lust, weiter zu lesen. I get it. Aber ich finde es auch schwierig, im Kapitalismus über Selfcare zu schreiben. Einfach, weil auch die Selbstfürsorge mittlerweile eine gut zu melkende Cash Cow ist.

Viele Unternehmen haben erkannt, dass wir anfällig dafür sind, uns Produkte verkaufen zu lassen, von denen wir glauben, mit ihnen gehe es uns besser. Selbst das simple Baden im heimischen Badezimmer wird zur Konsum-Eskalation – da nimmste hier noch eine Gesichtsmaske und jenen Badezusatz, gönnst dir dafür sündhaft teure Party Lights und schon hast du dein Badezimmer in die Wellness-Oase verwandelt.

Wir alle wissen, dass es so nicht sein muss. Aber in einem Leben, das uns von Erwerbs- über Sorgearbeit bis ins Fitnessstudio hetzt, greifen wir nach jedem Strohhalm. Das ist auch an sich nicht verkehrt: Wir dürfen es uns schön machen.

Aber ich kann keinen Artikel zur Selbstfürsorge schreiben, ohne festzuhalten: Selfcare ist ein Produkt. Mit dem Drang, uns etwas Gutes zu tun, verdienen andere Leute an uns Geld.

Selbstfürsorge geht nicht ohne Privilegien

Ich stelle immer wieder fest: Die wenigen Auszeiten, die ich habe, sind bedingt durch meine Privilegien. Ein Mann, der im Homeoffice arbeitet, meine Selbstständigkeit, mein Haus mit Garten – sie alle machen es mir leicht, auch auf mich selbst zu achten.

Ich habe nur einen Lohnarbeitsjob, nicht mehrere, bin also freier in meiner Zeit als manch prekär(ere) beschäftigte Frau. Mein Mann wohnt hier und kümmert sich um die Kinder, ich habe also mehr Unterstützung als manch Alleinerziehende. Mein Haus hat einen Garten, ich habe also mehr Raum (im Freien) als manche Großstadtfamilie.

Es ist anstrengend und nervig, aber ja, wir müssen daran denken, dass auch Selbstfürsorge abhängig ist von gewissen Privilegien. Es ist nicht damit getan, ein bisschen Yoga zu machen, eine Gesichtsmaske aufzutragen und ins wohltemperierte Badewasser zu steigen. Manche Mutter mit einem Baby und einem Kleinkind, deren Mann bis abends aus dem Haus ist, wäre schon froh um ausreichend Zeit für nur eines dieser drei Dinge.

Selbstfürsorge im Kapitalismus der Kleinfamilien hängt vor allem an drei Dingen:

  • Geld, um sich Hilfen wie ein Kindermädchen, ein Au-Pair oder eine Haushaltshilfe einkaufen zu können
  • Qualifikation und berufliche Freiheit, weil wer weniger arbeitet bei ausreichend Gehalt auch über mehr Zeit verfügt
  • Unterstützung, denn je größer das „Dorf“ ist, das sich um Kind und Kegel kümmert, desto mehr Raum bleibt für einen selbst

Sorge für dich!

Jetzt kommt das ABER: Aber Selbstfürsorge ist wichtig! Achten wir nicht auf uns selbst, brennen wir aus. Es macht uns kaputt, wenn wir uns selbst immer hinten anstellen.

Ein geflügeltes Wort sagt: „You can’t pour from an empty cup“. Du kannst aus einem leeren Becher nichts ausschenken. Das bedeutet: Wenn du nicht darauf achtest, dass deine Akkus geladen sind, kannst du selbst nichts geben.

Selbstfürsorge findet sich auch in Beziehungen

Erschöpfte Menschen sind weniger mitfühlend, weniger aufmerksam, ungeduldiger und weniger produktiv. Der reine Menschenverstand sagt, dass es wichtig ist, auf uns zu achten.

Die gute Nachricht ist: Kraft zu schöpfen hat nur wenig mit großem Zeitaufwand zu tun. Ich selbst musste das schmerzhaft lernen: Nicht immer, wenn du unfassbar viel Zeit zur Verfügung hast, bist du am Ende auch erholt. Daddelst du den ganzen Abend am Handy herum, bist du wahrscheinlich auch nach sechs Stunden Zeit für dich furchtbar erschöpft.

4 Learnings über Selbstfürsorge

Ich habe für mich vier Dinge über Selbstfürsorge gelernt:

  1. Es ist weniger wichtig, wie viel Zeit du zur Verfügung hast, es kommt eher darauf an, wie gut du sie nutzt. Wie oben angeführt: Nutze ich Stunden, die ich habe, nur mit Dingen, die mir nichts geben, sind sie verloren. Manchmal sind 30 Minuten Stille mit einem guten Buch mehr wert als 4 Stunden, die wir doch nur am Handy verbracht haben.
  2. Alle Gefühle sind valide. Du darfst überfordert sein. Je größer die Verantwortung ist, die du trägst, desto größer ist auch der Stress. Über zu wenig Zeit für dich zu klagen, ist also berechtigt und muss gehört werden.
  3. Wir brauchen Community Care. Hier geht es um Privilegien, aber auch um Beziehung. Menschen brauchen Menschen, die sich um sie kümmern. Gerade Alleinstehende oder Alleinerziehende sind aber oft ganz allein, auch mit ihrer Verantwortung. Hier braucht es andere Menschen, die sich dieser Personen annehmen. Mal einen Tee kochen, die Kinder bespaßen, ein kleines Präsent vor die Tür stellen. Wir sind nicht dafür gemacht, auf uns allein gestellt zu sein.
  4. Du musst wissen, was dir gut tut. Das ist meine größte Hürde, immer gewesen: zu wissen, was mir Kraft gibt. Je seltener wir uns selbst etwas Gutes tun, desto eher vergessen wir, was wir brauchen. Ergibt sich dann mal Raum für uns, sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht. Es braucht also eine Erinnerung daran, was uns gut tut.

Druckvorlage für eure Selbstfürsorge

Weil ich gerne Probleme löse, hab ich mich der Gedankenstütze direkt mal angenommen und mir ein kleines Glas gebastelt. Ähnlich des Konzepts des Dankbarkeits-Glases enthält mein Bonbonglas viele, kleine Zettelchen. Auf ihnen habe ich gesammelt, was mir gut tut: ein Buch lesen, ein Kaffee in der Hängematte, eine Freundin anrufen.

Jedes Mal, wenn ich Zeit für mich habe oder plane und nicht auf Anhieb weiß, was mir gut tun würde, ziehe ich einen dieser Zettel. Entweder sagt mir die Idee auf Anhieb zu oder ich merke, dass diese Anregung gerade die falsche ist – dann ziehe ich einen neuen Zettel.

Für mich haben meine Auszeit-Tickets den entscheidenden Vorteil, dass sie mich aus der Überforderung lösen, die ich schnell verspüre, wenn ich zwar Zeit, aber kein Gespür für meine Bedürfnisse habe.

Auszeit-Tickets für mehr Selbstfürsorge

Weil ich hoffe, dass ich damit vielleicht auch euer Problem löse, habe ich eine kleine Druckvorlage vorbereitet. Damit könnt ihr euch eigene Auszeit-Tickets basteln.

HIER geht’s zu deinen Auszeit-Tickets

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Celsy ist Autorin, Möglichmacherin und Gründerin von Eine fixe Idee. In Büchern, Texten, Podcasts, Mentorings und Workshops hilft sie Menschen dabei, selbstwirksam in eine sozialpolitisch gerechte Zukunft zu schauen. Immer dabei: Ein Kaffee mit ganz viel Milchschaum.

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