Die Sache mit dem Geld – Equal Pay Day und Gender Pay Gap erklärt
Stell dir mal vor, du arbeitest 77 Tage im Jahr quasi für lau. Du leistet mindestens dasselbe, eher eigentlich noch mehr als dein Kollege und wirst aber erst ab Tag 78 für dein Engagement bezahlt. Klingt scheiße? Ist es auch. Willkommen im Gender Pay Gap.
Gender Pay Gap – oder auch 21% weniger Kohle
Was ist der Equal Pay Day? Der 17. März 2020 war der Equal Pay Day 2020. Dank Schaltjahr einen Tag eher als in den übrigen Jahren. Dieser Tag soll darauf aufmerksam machen, dass Frauen die ersten 77 Tage jeden Jahres unbezahlt arbeiten. Erst ab Tag 78 erhalten auch sie ihren Lohn für das, was sie leisten, rein statistisch betrachtet.
Wie kommt das zustande? Frauen erhalten im Schnitt 21% weniger Geld für ihre Arbeit im Vergleich zu Männern. Grund dafür ist – wer hätte das erwartet? – das Patriarchat. Überkommene Rollenvorstellungen führen dazu, dass die Arbeit von Frauen als weniger wert erachtet wird. Herargumentiert wird das über strukturelle Gründe, etwa Erziehungszeiten oder Teilzeitarbeit. So sollen sich Frauen selbst die Chance auf ein gleichwertiges Gehalt im Vergleich zu Männern nehmen.
Außerdem spielt hierbei die Bewertung von Care-Arbeit, zu deutsch Sorgearbeit, eine große Rolle. Berufe, die in diesen Bereich fallen – etwa Erzieher:innen, Pflegepersonal, Reinigungsdienste, Friseur:innen – werden hauptsächlich von Frauen ausgeübt und ihrem Tätigkeitsfeld nach den Frauenberufen zugeordnet. In der Folge bezahlen Arbeitgeber:innen ihre Angestellten schlechter, oft fehlt es an Tarifverträgen und damit fairen Gehalts- und Urlaubsvereinbarungen.
Das Perfide dabei: Gerade jetzt, im März 2020, mit der großen Coronakrise wird klar: Es sind genau diese systemkritischen Berufe, auf die wir dringend angewiesen sind und die wir aber finanziell nicht gerecht entlohnen. Bringen wir es auf den Punkt: Ohne Care-Arbeit läuft der Laden nicht.
Warum der bereinigte Gender Pay Gap Schwachsinn ist
Vor allem Gegner des Gender Pay Gap halten der Lohnlücke von 20% entgegen, dass dies ja die unbereinigte Angabe sei. Stellten wir tatsächlich gleichwertig qualifizierte Männer und Frauen mit denselben Tätigkeitsbeschreibungen nebeneinander, reduzierte sich der Unterschied auf fünf bis sechs Prozent. Betrachtet man diese vermeintlich reale Lohnlücke, verdienen Frauen doch gar nicht so super viel weniger als Männer. Oder?
Doch, tun sie. Dieser bereinigte Gender Pay Gap ist nämlich nichts anderes als der traurige Versuch, die Diskriminierung von Frauen zu vertuschen. Fakt ist nämlich: Frauen arbeiten im Gegensatz zu Männern eben auch etwa eineinhalb Stunden mehr in der Woche unbezahlt im häuslichen Umfeld. Sie übernehmen die Sorgearbeit, „halten“ (ihren) Männern „den Rücken frei“, indem sie putzen, kochen, waschen, die Kinder versorgen, auf Kita-Festen Kuchen verkaufen oder sich um zu pflegende Angehörige kümmern. Wir sehen es gerade jetzt: Frauen übernehmen all die Arbeiten, ohne die unsere Gesellschaft auseinander fallen würde.
Es ist also Schwachsinn, zu versuchen, den Gender Pay Gap kleinzurechnen. Dass Frauen für jeden Euro, den ein Mann verdient, nur 80 Cent erhalten, ist strukturell bedingt. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit, weil sie es aufgrund der Fürsorgearbeit nicht anders leisten können. Aufgrund von ungleich verteilter Care-Arbeit, fehlender Kita-Plätze, längerer Erziehungszeiten und andauernder sexistischer Diskriminierung üben Frauen einen großen Teil der Minijobs aus. Sie werden seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen und erhalten in noch weniger Fällen den gut bezahlten Leitungsjob. Frauen in Führungspositionen? Das waren 2018 gerade einmal 26% (Quelle: Bundesagentur für Arbeit).
Die Lohnlücke reproduziert sich selbst
Unser Problem: Die Dynamiken, aus denen diese Lohnlücke entsteht, vervielfältigen sich selbst, wenn Männer nicht auch endlich ihren gerechten Anteil an Fürsorgearbeit übernehmen – und Arbeitgeber:innen nicht ihren Anteil an der Bekämpfung dieser Ungleichheit.
Die Rechnung ist ganz einfach: Werden Männer besser bezahlt als Frauen, sind auch sie es, deren Gehälter das Familieneinkommen stützen. Geht es also um die Übernahme von Care-Arbeit, gehen diese Männer seltener in Elternzeit oder arbeiten weniger häufig Teilzeit. Immerhin ist ihr Einkommen entscheidend für die finanzielle Sicherheit der Familie.
Dort, wo die Männer seltener in Teilzeit arbeiten und weniger Elternzeit nehmen, springen die Frauen – gezwungenermaßen – ein. Sie arbeiten eher in Teilzeit und nehmen längere Familienzeiten. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, wie man so schön sagt. Die strukturellen Bedingungen verstärken die Ungleichheit, die zum Gender Pay Gap führt.
Den Gender Pay Gap schließen – Equal Care und Equal Pay
Was tun wir also?
Wir müssen die Ungleichheit bekämpfen. Vor allem aber auch die Diskriminierung der Frauen.
Positiv formuliert bedeutet das: Wir müssen Sorgearbeit aufwerten. Es ist Zeit, anzuerkennen, dass auch Fürsorge Arbeit ist. Wer Kaffee kocht, Kinder großzieht, Schulfeste organisiert, Angehörige besucht und den Alltag am Laufen hält, hat kein einfaches Leben. Diese Personen sind es, die das Rückgrat unserer Gesellschaft bilden.
Das Ziel in der Bekämpfung der Lohnlücke kann auch nicht sein, alle Frauen in vollzeitige Erwerbsarbeit zu drängen. Wenn alle in Vollzeit auswärts arbeiten, wer macht denn dann am Ende noch die Care-Arbeit? Wir wissen das: In den meisten Fällen prekär beschäftigte Frauen, die neben der eigenen Sorgearbeit die anderer mit übernehmen.
Die Beseitigung des Gender Pay Gaps kann also nur bedeuten, dass wir Sorgearbeit entlohnen. Nicht nur im professionellen Rahmen, sondern auch privat. Frauen, die gar nicht oder in Teilzeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen, arbeiten ja schließlich immer noch Vollzeit – die Hälfte allerdings unbezahlt. Es ist Zeit für Konzepte, die Sorgearbeit umfassend gerecht entlohnen.
Werten wir Sorgearbeit auf. Erkennen wir an, welche Leistung dahinter steht und finden wir Lösungen, um die Lohnlücke zu schließen und gleichzeitig Care-Arbeit den nötigen, sicheren Raum zu bieten.
Lesetipps zur Lohnlücke und Equal Care
Selbstverständlich habe ich die Weisheit nicht gepachtet, sondern lerne selbst von ganz vielen, tollen Frauen, die kluge Texte schreiben. Im Folgenden findet ihr also ein paar Links für die weitere Lektüre.
Da ist zum einen – hochaktuell während der Coronakrise – der Text von Beatrice Frasl, den sie bei Edition F veröffentlicht hat. Sie erklärt, warum die Corona-Krise ein feministisches Thema ist und nun neben all der Dankbarkeit auch eine finanzielle Aufwertung von Care-Arbeit erforderlich ist.
Die kluge Teresa Bücker hingegen gibt in ihrer Kolumne „Freie Radikale“ einiges zu bedenken, was die Auslagerung von Sorgearbeit an andere betrifft. Weil dieses Outsourcing oft bedingt, dass die Sorgearbeit und das Problem der Vereinbarkeit an weniger privilegierte Frauen fallen, fragt Teresa: Ist es radikal, alle Care-Arbeit selbst zu erledigen?
Jetzt kannst DU ganz explizit etwas gegen den Gender Care Gap tun! Wenn dir meine Arbeit auf dem Blog und bei Instagram einen kleinen Beitrag wert ist, kannst du mir HIER einen kleinen Kaffee spendieren! Ich danke dir! 🙂
Celsy ist Autorin, Möglichmacherin und Gründerin von Eine fixe Idee. In Büchern, Texten, Podcasts, Mentorings und Workshops hilft sie Menschen dabei, selbstwirksam in eine sozialpolitisch gerechte Zukunft zu schauen. Immer dabei: Ein Kaffee mit ganz viel Milchschaum.